Insights Festspiele Zürich

14.05.2020 | Pesche

Ausgangslage: Wir müssen digital!

Die Festspiele Zürich finden alle zwei Jahre im Juni statt. Das mit jeder Ausgabe wechselnde Festspielthema bildet den Inspirationspunkt für ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm in den Sparten Oper, Musik, Theater, Bildende Kunst, Literatur, Tanz und Performance in Zusammenarbeit mit einer Vielzahl Zürcher Institutionen und Communities. Um dem Risiko einer Totalabsage auf Grund von Corona der Festspiele auszuweichen, haben sich die Festspiele entschieden, die künstlerischen Arbeiten und Inhalte des Festivals gemeinsam mit den Veranstaltungspartnern und Communities für den digitalen Raum zu adaptieren.

Gemeinsames Verständnis

Im Endspurt der Vorbereitungen traditioneller Festspiele auf Digital umzustellen, klingt nach einer grossen Herausforderung. Alexander, der Geschäftsführer der Festspiele Zürich, und Martina aus
dem Team, die aus ihrem Kollegenkreis bereits Gutes über IT-Frameworks gehört hat, haben sich gefragt, ob ihr Team von einigen dieser Praktiken profitieren könnte. Im Zuge dessen sind sie an mich als Agile Coach von avega herangetreten und wir haben uns über ihre Ausgangslage unterhalten, um uns ein Bild darüber zu verschaffen, in wie weit eine Unterstützung von unserer Seite den Festspielen beim Umstellen auf Digital dienen kann.

Auf der einen Seite hatten wir:

  • Ein bestens eingespieltes Team von Spezialistinnen

  • Klare Aufgabenverteilung

  • Viel bereits erledigte Vorarbeiten

Dem gegenüber standen:

  • Die Ungewissheit in welcher Form die Festspiele stattfinden werden

  • Hoher Zeitdruck (nur noch 2 Monaten bis zum Beginn der Festspiele)

  • Schwierigkeiten den aktuellen Stand zu ermitteln und zu wissen wer was bearbeitet

Dieselben Probleme kenne wir aus dem IT Umfeld bestens und adressieren sie folgendermassen:

  • Täglicher Austausch und regelmässige Planung

  • Fokus durch WIP (Work in Progress) Limiten

  • Transparenz durch Visualisierung

Scrum oder Kanban?

Mein erster Gedanke: Kanban! Weniger invasiv als Scrum, machen wir den aktuellen Fluss der Arbeiten sichtbar und beginnen dann, den Durchsatz zu optimieren. Ich dachte mir, die Akzeptanz von so einem System könnte bei Nicht-IT-lern höher liegen als bei Scrum. Kanban limitiert WIP pro Arbeitsschritt (Spalte), Scrum pro Zeitschlitz (Sprint). Demnach ist eine Grundvoraussetzung für Scrum, dass wir in der Lage sein müssen, Arbeit auf Sprints aufzuteilen und das geht nur ab einem gewissen Anteil planbarer Arbeit. Mein erster Eindruck der Organisation von Festspielen: Hochgradig reaktiv und viele Abhängigkeiten zu externen Zulieferern. Daher eher nicht Scrum.

Eher doch Scrum

Bei unserem dritten Treffen, habe ich realisiert, dass das Festspiele-Team schon einen sehr straffen und getakteten Fahrplan verfolgt und Alexander bereits eine Product Owner ähnliche Rolle inne hat. Gegen Kanban spricht, dass das Abbilden der vielen, hochgradig parallelen und verschachtelten Arbeitsabläufe verschiedener Tätigkeitsbereiche, auf einem zentralen digitalen Board, wohl sehr aufwändig werden würde. Im Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit und des absehbaren Endes, rechnet sich die Investition in die Prozess-Modellierung wahrscheinlich nicht. Also haben wir uns für Scrum entschieden.

Aktuelles Setup

Das Kernstück der Visualisierung ist eine Excel basierte Programm-Aufgaben Matrix, ähnlich einer Story Map.

Aufgaben-Matrix

Pro Programmpunkt sind die zu erledigenden Tätigkeiten aufgelistet, beginnend beim Konzept der Inhalte, Produktion, über die Umsetzung, bis zur Realisierung und Abschluss. Ein Rot-Gelb-Grün Farbcode signalisiert die aktuellen Zustände “Noch nicht gestartet”, “In Arbeit” und “Erledigt”. Je grüner die Ansicht umso abgeschlossener die Arbeit. Am Review wird die Übersicht auf den aktuellen Stand gebracht und dient dann im Planning als Ausgangspunkt. Mit der Retrospektive dazwischen schliesst sich der Feedback-Loop über die Zusammenarbeit. Täglich tauscht sich das ganze Team am Daily Scrum aus und plant die nächsten 24 Stunden. Die formulierten Sprint Ziele reihen sich wie Signalfeuer hintereinander und leuchten den Weg bis zum Beginn der Festspiele.

Nächste Schritte

Vielleicht gelingt es uns noch, ein System zur Quantifizierung von Aufwände zu installieren. Damit könnten wir visualisieren, wie sich Aufwände entlang der Tätigkeiten kumuliert. In Kombination mit der Ressourcenplanung könnten wir so Flaschenhälse frühzeitig identifizieren.

Learnings

  • Scrum funktioniert bestens und die nötige Disziplin ist vorhanden.

  • Die erste Stufe von John P. Kotter Change Management “Dringlichkeit” ist der Schlüssel für eine schnelle Adaption (noch nie habe ich ein so effizientes erstes Daily Scrum gesehen).

  • Theory of Constrains: Finde und manage Flaschenhälse.

  • Zeitdruck beschränkt die Einführung von Praktiken, welche sich mehr vom der gewohnten Arbeitsweise unterscheiden. Also möglichst früh damit beginnen.

Link auf das Festspiele X Team bei der Arbeit:
https://festspiele-zuerich.ch/de/blog/den-x-faktor-entwickeln/